So flüstert er sie wach, die aber nun
Mit aufgeschrecktem Blick auf Adam hin,
Diesen umfangend, also zu ihm sprach:
"O Einziger, bei dem all´ mein´ Gedanken
Die Ruhe wiederfinden, du mein Ruhm,
Meine Vollkommenheit! Wie seh ich gern
Dein Angesicht und auch den Morgen wieder;
Denn diese Nacht wie ich noch keine so
Zuvor erlebt bis heute träumte mir,
Wenn ich nur träumte, nicht wie öfter schon,
Von dir und von dem Werk vergangnen Tags
Oder vom Plan des nächsten, sondern, ach,
Von Widerwärtigen und Missetat,
Was nie mein Geist vor dieser leiden Nacht
Gekannt: es deuchte mir, dass nah am Ohr
Mich einer aufrief zum Spazierengehen
Mit sanfter Stimme; deine, dacht´ ich, sei´s;
Sie sagte: Warum schläfst du Eva? Sieh,
Nun ist die schönste Zeit, die kühle, stille,
Wo nur des Vogelschlages Nachtgesang
Das Schweigen bricht, der nun sein Liebeslied
Am süßesten erklingen läßt; es thront
Des Mondes volle Scheibe und verklärt
Mit weicherem Licht gedämpft den Schein der Dinge;
Umsonst, wenn´s keiner sieht; der Himmel wacht
Mit all seinen Augen, dich zu sehen,
Dich, denn du bist die Sehnsucht der Natur
Bei deren Anblick alles sich ergötzt,
und nie sich satt an deiner Schönheit sieht,
Die uns magnetisch in Verzückung hält.
Ich stand, wie wenn du riefest, auf, doch fand
Dich nicht und lenkte dann, um dich zu finden,
Die Schritte fort und ging, allein, wie´s schien,
Auf Wegen, die mich plötzlich zu dem Baum
Der unbewilligten Erkenntnis führten.
Schön schien er, schöner meiner Fantasie
Als je bei Tag, und wie ich staunend schaute,
Stand einer, an Gestalt und Flügeln gleich
Wie einer jener Himmlischen, dabei,
Wie wir sie oft gesehen; von seinen Locken
Schlug ambrosisch Tau; er staunte auch
Auf jenen Baum und sprach: Oh, schön Gewächs
Mit Früchten übervoll, geruht denn keiner
Die Last dir abzunehmen und das Süße
Von dir zu kosten, weder Gott noch Mensch?
Ist die Erkenntins so verachtet? Oder
Verbietet sie ein Neid, ein Vorenthalten?
Verbiete sie, wer will, ich werde nicht
Das angebotne Gut mir länger noch
Verwehren lassen, wozu wär´s denn da?
Dies kaum gesprochen, mit verwegnem Arm
Pflückt er und kostet; mich ereilte kalt
Ein feuchtes Grausen bei dem frechem Wort,
So frevlerisch von frecher Tat gefolgt.
Doch er rief gleich von Wonne übermannt:
O Gottesfrucht, süß in dir selber, doch
Viel süßer noch geerntet; hier wie´s scheint,
Verboten, da den Göttern nur gemäß,
Doch mit der Kraft begabt, aus Menschen Götter
Zu machen: warum nicht aus Menschen Götter,
Da sicherlich das Gute desto mehr
Zur Fülle wächst, je mehr es mitgeteilt
Dem Stiftenden zur Ehre, nicht zum Schaden?
Hier, glückliches Geschöpf, du engelsgleiches,
Nimm, holde Eva, auch davon; obgleich
Du glücklich bist, kannst du noch glücklicher,
Nur würdiger nicht werden: Koste dieses,
Und unter Göttern werde du fortan
Selbst eine Göttin, irdisch nicht beschränkt,
Sondern wie wir, dich oft auf Lüften schwingend,
Steig hoch zum Himmel oft, wie du verdienst
Und siehe, wie die Götter droben leben,
Und lebe selber so. Mit diesen Worten
Kam er ganz nah und hielt an meinen Mund
Ein Teil derselben Frucht, die er gepflückt;
Der wohlig schmeckende Geruch erregte
So das Gelüsten, daß ich nicht umhin,
Wie es mir schien, davon zu kosten konnte.
Und alsbald flog ich mit ihm empor
Auf zu den Wolken und sah niederwärts
Die unermeßne Erde sich erstrecken,
Die weit und mannigfaltig Aussicht bot;
Der mich in solchen Jubelstand versetzt,
War plötzlich weg mein Führer, während ich,
Wie es mich dünkte, wieder abgesunken,
In Schlaf verfiel und erwacht bei dir.“
John Milton „Das verlorene Paradies“
Mit aufgeschrecktem Blick auf Adam hin,
Diesen umfangend, also zu ihm sprach:
"O Einziger, bei dem all´ mein´ Gedanken
Die Ruhe wiederfinden, du mein Ruhm,
Meine Vollkommenheit! Wie seh ich gern
Dein Angesicht und auch den Morgen wieder;
Denn diese Nacht wie ich noch keine so
Zuvor erlebt bis heute träumte mir,
Wenn ich nur träumte, nicht wie öfter schon,
Von dir und von dem Werk vergangnen Tags
Oder vom Plan des nächsten, sondern, ach,
Von Widerwärtigen und Missetat,
Was nie mein Geist vor dieser leiden Nacht
Gekannt: es deuchte mir, dass nah am Ohr
Mich einer aufrief zum Spazierengehen
Mit sanfter Stimme; deine, dacht´ ich, sei´s;
Sie sagte: Warum schläfst du Eva? Sieh,
Nun ist die schönste Zeit, die kühle, stille,
Wo nur des Vogelschlages Nachtgesang
Das Schweigen bricht, der nun sein Liebeslied
Am süßesten erklingen läßt; es thront
Des Mondes volle Scheibe und verklärt
Mit weicherem Licht gedämpft den Schein der Dinge;
Umsonst, wenn´s keiner sieht; der Himmel wacht
Mit all seinen Augen, dich zu sehen,
Dich, denn du bist die Sehnsucht der Natur
Bei deren Anblick alles sich ergötzt,
und nie sich satt an deiner Schönheit sieht,
Die uns magnetisch in Verzückung hält.
Ich stand, wie wenn du riefest, auf, doch fand
Dich nicht und lenkte dann, um dich zu finden,
Die Schritte fort und ging, allein, wie´s schien,
Auf Wegen, die mich plötzlich zu dem Baum
Der unbewilligten Erkenntnis führten.
Schön schien er, schöner meiner Fantasie
Als je bei Tag, und wie ich staunend schaute,
Stand einer, an Gestalt und Flügeln gleich
Wie einer jener Himmlischen, dabei,
Wie wir sie oft gesehen; von seinen Locken
Schlug ambrosisch Tau; er staunte auch
Auf jenen Baum und sprach: Oh, schön Gewächs
Mit Früchten übervoll, geruht denn keiner
Die Last dir abzunehmen und das Süße
Von dir zu kosten, weder Gott noch Mensch?
Ist die Erkenntins so verachtet? Oder
Verbietet sie ein Neid, ein Vorenthalten?
Verbiete sie, wer will, ich werde nicht
Das angebotne Gut mir länger noch
Verwehren lassen, wozu wär´s denn da?
Dies kaum gesprochen, mit verwegnem Arm
Pflückt er und kostet; mich ereilte kalt
Ein feuchtes Grausen bei dem frechem Wort,
So frevlerisch von frecher Tat gefolgt.
Doch er rief gleich von Wonne übermannt:
O Gottesfrucht, süß in dir selber, doch
Viel süßer noch geerntet; hier wie´s scheint,
Verboten, da den Göttern nur gemäß,
Doch mit der Kraft begabt, aus Menschen Götter
Zu machen: warum nicht aus Menschen Götter,
Da sicherlich das Gute desto mehr
Zur Fülle wächst, je mehr es mitgeteilt
Dem Stiftenden zur Ehre, nicht zum Schaden?
Hier, glückliches Geschöpf, du engelsgleiches,
Nimm, holde Eva, auch davon; obgleich
Du glücklich bist, kannst du noch glücklicher,
Nur würdiger nicht werden: Koste dieses,
Und unter Göttern werde du fortan
Selbst eine Göttin, irdisch nicht beschränkt,
Sondern wie wir, dich oft auf Lüften schwingend,
Steig hoch zum Himmel oft, wie du verdienst
Und siehe, wie die Götter droben leben,
Und lebe selber so. Mit diesen Worten
Kam er ganz nah und hielt an meinen Mund
Ein Teil derselben Frucht, die er gepflückt;
Der wohlig schmeckende Geruch erregte
So das Gelüsten, daß ich nicht umhin,
Wie es mir schien, davon zu kosten konnte.
Und alsbald flog ich mit ihm empor
Auf zu den Wolken und sah niederwärts
Die unermeßne Erde sich erstrecken,
Die weit und mannigfaltig Aussicht bot;
Der mich in solchen Jubelstand versetzt,
War plötzlich weg mein Führer, während ich,
Wie es mich dünkte, wieder abgesunken,
In Schlaf verfiel und erwacht bei dir.“
John Milton „Das verlorene Paradies“