Politik und andere Katastrophen

Der Bereich für alles, das ihr schon immer einmal loswerden wolltet, aber keinen direkten Bezug zum Spiel hat.
Dehmyen
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Beitragvon Dehmyen » Di 27. Mai 2014, 14:56

Ich bin ganz ehrlich, ich habs vergessen.
Ich hatte am Wahltag frei, war mit den Hunden draußen und hab Abends rp gemacht und erst so um ein Uhr gemerkt: ach hoppla.

Und im Endeffekt hab ich den Tag für mich besser genutzt, weil ich nämlich vor dem Wahlzettel gesessen hätte, wie vor einem Multiple Choice Test, für den ich nicht
gelernt habe. Ich geb auch zu, ich hab mich dieses mal (Aus Zeit,- und Faulheitsgründen) nicht wirklich informiert. Als ich die Diskussion hier las und das Wahlergebniss mitbekam hab
ich aber mal versucht heraus zu finden, was ich hätte wählen können.

Und mir gefällt kein Wahlprogramm. Und wenn es mir doch gefällt, dann gefallen mir die Personen dahinter nicht. Ich hab mich dieses Jahr nicht so sehr damit beschäftigt, weil
mir die Ausrede "Ich hab davon keine Ahnung, lass uns über das neue Pokemon reden, was bald im Herbst raus kommt" als die angenehmere Alternative erschien.
Wo wir dann bei Alternative wären. Ich hab bei den Bundestagswahlen 2013 die AfD gewählt. Warum? Ich hatte jemanden in meinem nahen Bekanntenkreis der sich für die
Partei interessierte und Kontakt zu ihnen herstellte. Ich hab mich mit ihnen beschäftigt und fand ihr Konzept soweit gut. (insofern mein Hirn fähig ist die heutige Gesellschaft politisch wahrzunehmen. Ich halte mich da oft nicht
für sehr fähig mir eine "gute" Meinung zu bilden.)
Dann liefen die Wahlen. Kaum hatte die AfD über 3% ging es los. Menschen, die ich sehr schätze und liebe posten ihre Entrüstung auf FB, oder schreiben mir per sms, ob ich denn verfolge, was da abging und wer denn so hirntot sei
und die AfD wähle. Dass ich mit meinen Vater nicht über solche Themen sprechen kann, habe ich akzeptiert und kann ich verkraften. Aber ich hatte aufeinmal das Gefühl mich vor meinem ganzen Freundes,- und Bekanntenkreis verstecken zu müssen.
Ich hatte bis jetzt, diesen Moment, Angst zu sagen, was ich gewählt habe, weil ich fürchtete, als hirntot, naiv, nazi, oder ganz einfach uninformiert zu gelten. Und selbst wenn ich es gesagt hätte und es wären Sätze gekommen wie "Na musst du selbst wissen," kann keiner meinen Verstand davon abhalten sich vorzustellen, wie sich der Andere jetzt am liebsten von mir entfernen würde, um sich woanders über meine Wahlentscheidung zu echauffieren.

Jetzt am 25.05. sah das ein bisschen anders aus. Mal ganz davon abgesehen, dass ich eh nicht wählen war, hab ich, auch gerade wegen dieser Forumsdiskussion, meinen guten Bekannten von damals angeschrieben, von dem ich wusste, dass er Mitglied in der AfD war. Betonung liegt auf war, um es mal zu zitieren:
"Ich war mal Mitglied, ja. Dann bin ich aus unserer glorreichen Hauptstadt in meine Heimat zurück gekommen und durfte sehen, wie die Basis der Partei so ist ;)"
Ich hab ihn offen gefragt, angeregt durch die Diskussion hier, was es denn ist, dass mir die Partei nun unsympathisch vorkommt. Ich habe ihm gesagt, welche Thesen (vom guten Wahl o Maten) mir wichtig sind, und dass ich den offiziellen Standpunkt der AfD zu uneindeutig finde. Darauf sagte er mir das:

Er: "Die AfD hat einen fragwürdigen Standpunkt gegenüber Homosexuellen. Die Spitze versucht sich drum herum zu drücken da eine klare Aussage zu treffen und sagt dann immer "Das sind Privatmeinungen und ist nicht die Meinung der Partei".
Die Basis der Partei ist konservativ bis rechts und wäre ehr gegen Gleichberechtigung, aus dümmsten Gründen."

Ich: "gut, dann hat sich die afd für mich auch erledigt... schade dass hinter Konzepten immer Menschen stehen."

Er: "Ja das ist genau das Problem. Die Spitzenleute sind eigentlich gut, aber was als Basis in die Partei geflutet ist ist teilweise zu blöd um die NPD auf dem Wahlzettel zu finden. Nun kommen sie logischerweise auch nicht hinterher ihr Programm anständig auszuweiten. Ist sehr schade, aber was soll man tun."

(Und ja, ich bilde mir meine Meinung tatsächlich lieber über verschiedene Gespräche und bin auch sehr offen, da ich es angenehmer finde mir so ein Bild zu machen. Umso verschiedener die Gesprächsverläufe, umso interessanter... denk ich.)

Und nun steh ich da. Ich hab KEINEN Plan was ich wählen hätte können, was ich wählen soll. Mir werden Parteien ans Herz gelegt, wo ich seufzend den Kopf schüttle, weil sie nicht zu mir passen, oder Ideale vertreten, die ich nicht nachvollziehen kann. Da wo mir das Wahlprogramm gefällt, kann ich die Partei dahinter nicht ernst nehmen. Und die Parteien, die ich ernst nehmen kann, sprechen in ihrem Wahlprogramm genau gegen die wenigen Standpunkte, dir mir noch geblieben sind. Ist es schlimm nicht wählen zu gehen, wenn man nicht weiß wohin mit seiner Stimme?
Ich komme mir dumm vor, so ganz ohne eindeutige Meinung, außer eben der, das mir momentan eigentlich keine Partei zusagt. Ich hab aber ehrlich gesagt auch kein Bock "das kleinste" Übel zu wählen, insofern es das überhaupt gibt. ._.
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Beitragvon Aerius » Di 27. Mai 2014, 15:31

Ah, Politikverdrossenheit ist das wohl, was du beschreibst und empfindest.

Ich geh' mal auf ein paar Sachen separat ein, da du ja mehrere Gedankengänge hast.
Er: "Ja das ist genau das Problem. Die Spitzenleute sind eigentlich gut, aber was als Basis in die Partei geflutet ist ist teilweise zu blöd um die NPD auf dem Wahlzettel zu finden. Nun kommen sie logischerweise auch nicht hinterher ihr Programm anständig auszuweiten. Ist sehr schade, aber was soll man tun."
Ich habe mir das jetzt mal rausgepickt, sei mir nicht böse darüber, aber das transportiert etwas, dem ich sowas von absolut nicht zustimme.
Er hat zwar recht, dass die Basis der Partei in vielen Bereichen Neonazis nicht nachsteht, aber in dem Punkt zu sagen, die Spitzenleute seien besser, will ich ihm massiv widersprechen. Hier sind ein paar Zitate verschiedener Spitzenleute der AfD. Noch nicht auf den Geschmack gekommen? Ich habe noch mehr. Die sind auch von 2014.

Für mich hat eine Partei, deren Spitzenleute sich in Außen- und Sozialpolitik offen zu Bismarck bekennen, nichts im deutschen Bundestag verloren. Gar nichts.
Während ich die Ursprünge der Partei, die wirtschaftspolitische Euro-Kritik für durchaus in akzeptablem Maße diskussionswürdig halte (weil das Thema verdammt kompliziert ist und ich nichts gegen grundlegend unterschiedliche Meinungen habe, auch wenn ich ihnen nicht zustimme), sind sämtliche anderen gezeigten politischen Ideen nicht nur rechtspopulistisch, sondern deutlich weiter als das. Nicht nur an der Basis, auch an der Spitze.

Ich habe zufällig gestern "Hart aber Fair" gesehen, weil ich etwas nebenbei hören wollte. Da hat der werte Herr Lucke sich massiv verbal dagegen gewehrt, dass man in der Sendung ja "Lucke-Bashing" betreiben würde, und ihn und seine Partei als rechtskonservativ, rechtspopulistisch und allgemein rechts bezeichnen würde, bar jeder Grundlage. Weil seine Partei ja durch alle Bevölkerungsschichten ginge. Michel Friedman, jemand mit dem ich nicht unbedingt oft übereinstimme, hat ihm eine sehr kluge Antwort gegeben. Sinngemäß etwa: "Auch wenn die Partei in Wahlwerbung und öffentlichen Auftritten nicht unbedingt komplett rechtes Gedankengut kommuniziert, sendet sie Signale an bestimmte Wählergruppen [read: Rechtsextreme]. Diese werden von diesen Wählergruppen dekodiert und verstanden als das, was sie sind: Rechtspopulistisch bis Rechtsextrem. Auch wenn sie manchmal auf den ersten Blick nicht so scheinen."

Es ist also kein Wunder, wenn die AfD in Teilen dieselben Wahlplakate wie die NPD aufhängt. Nicht im Geringsten. Und das bestimmt nicht die Basis bei Bundesweiten wahlen (wie Bundestag und Europawahl).

Sieh das nicht als anfauchen oder für böse deklarieren. Die AfD schafft es ganz gut, sich hinter Dingen zu verstecken und nach außen hin als relativ sinnvoll zu wirken. Das soll nicht implizieren, dass du doof bist, weil du dich nicht informierst. Dazu unten mehr:
Und nun steh ich da. Ich hab KEINEN Plan was ich wählen hätte können, was ich wählen soll. Mir werden Parteien ans Herz gelegt, wo ich seufzend den Kopf schüttle, weil sie nicht zu mir passen, oder Ideale vertreten, die ich nicht nachvollziehen kann. Da wo mir das Wahlprogramm gefällt, kann ich die Partei dahinter nicht ernst nehmen. Und die Parteien, die ich ernst nehmen kann, sprechen in ihrem Wahlprogramm genau gegen die wenigen Standpunkte, dir mir noch geblieben sind. Ist es schlimm nicht wählen zu gehen, wenn man nicht weiß wohin mit seiner Stimme?
Ich komme mir dumm vor, so ganz ohne eindeutige Meinung, außer eben der, das mir momentan eigentlich keine Partei zusagt. Ich hab aber ehrlich gesagt auch kein Bock "das kleinste" Übel zu wählen, insofern es das überhaupt gibt. ._.
Das ist was ich mit Politikverdrossenheit meinte und das kann ich ziemlich gut verstehen. Mir geht es nicht ganz so, aber ähnlich. Und vielen anderen auch.
"Das kleinste Übel wählen" klingt immer doof und viele, insbesondere etablierte und große Parteien haben ein so breites Wahlprogramm, dass du fast immer irgendwo Punkte finden wirst, die dir nicht gefallen. Geht mir genauso. Oder, wie bei mir auch mit manchen Parteien: Das Personal ist größtenteils unzumutbar für dich.
Den Gedanken den du dabei haben solltest ist aber nicht "deswegen sind die alle doof", sondern eher "es gibt viele Menschen mit vielen unterschiedlichen Meinungen". Dafür haben wir ja eine Demokratie. Daraus folgt aber auch, dass man manchmal abwägen muss, wo man sich "eher" zuhause fühlt, wenn auch nicht vollkommen. Das ist aber auch sehr viel einfacher, wenn man ein grundlegendes Interesse an der Sache hat - was nicht jeder hat (und das ist auch völlig okay so). Daher kommt vielleicht das Gefühl, "die Hausaufgaben nicht richtig gemacht zu haben". Wenn du kein Interesse an vielen Themen hast, ist es schwierig, "die Hausaufgaben zu machen".
Ich kann dir da leider auch nicht viel weiter helfen. Ich kann mich gerne mal mit dir über meine Sichtweise auf die verschiedenen Parteien unterhalten und warum ich wähle, wie ich wähle. Aber ich weiß nicht, ob dir das hilft (und ich weiß auch nicht, ob wir da auf einer Linie liegen werden 8o ). Ich bin mit Interesse für Politik aufgewachsen, mir kommt eine Beschäftigung damit relativ intuitiv und einfach vor. Aber ich verstehe, dass es vielen anderen anders geht.
Nur bei dem Punkt mit dem "Stimme mit keine Programm ganz überein" würde ich versuchen, ein wenig die Perspektive zu gewinnen, dass das auch normal so ist. Das geht ja gar nicht anders. Demokratie ist immer Abwägungssache. Abwägen von Argumenten, von Sichtweisen, von Vorschlägen und Gegenvorschlägen. Was sind für dich die wichtigsten Themen, für dich persönlich? Und wo hast du da die größte Übereinstimmung? Das würde ich als erstes für meine Wahlentscheidung in Betracht ziehen.
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Beitragvon Elfe » Di 27. Mai 2014, 15:35

Viele Menschen vergessen, dass hinter "dem Ausländer" oftmals ein "Deutscher" steht. Alles, was nicht "klassisch deutsch" spricht oder aussieht, ist doch schnell als "Ausländer" stigmatisiert. Ich habe einen deutschen Pass, wurde in Deutschland geboren, mein Vater ist Deutscher von den tiefsten Wurzeln an, und trotzdem fühle ich mich nicht deutsch. Was sicherlich mitunter daran liegt, dass ich überall als "Ausländer" betrachtet werde. Nur zuordnen kann mich niemand, weil dunkle Haare, dunkle Augen und leichter Akzent mit absolut blasser Haut einfach nicht passen wollen. Achja, bisschen winzig bin ich geraten. Noch so ein Punkt, der mich "anders" macht.

Dennoch darf ich mir Sprüche anhören. Am Anfang meiner Selbstständigkeit wurde ich (ich wiederhole das nicht 1 zu 1 weil das einfach gar nicht ging vom Wortlaut) quasi als asoziales Ausländer"pack" beschimpft. Würde ja "nur die Sozialhilfe" kassieren. Ohja, und ich hatte gerade eine neue Wohnung bezogen und kam ständig mit riesigen IKEA-Paketen nach Hause: "ja, da sieht man wo unser Geld hingeht!"

Ich habe meine Nachbarn aufgeklärt. Ich bin Selbstständig. Mache Beruflich das und jenes. Arbeite von Zuhause.

Jetzt darf ich mir anhören, ich würde anderen Leuten die Arbeit wegnehmen.

Die Frage ist: Was ist ein Ausländer und inwiefern distanziert man sich davon oder will sich distanzieren?
Ich verstehe nicht, warum wir Menschen dazu neigen, uns in Fächern einzusortieren. Warum können wir nicht sagen: wir sind Europäer? Oder noch besser: Erdenbürger? Ist es denn nicht bloßer Zufall, der uns dazu macht, dass wir jenen und eben nicht jenen Ursprung haben? In diesem oder einem anderen Land geboren wurden? Ich finde es schrecklich, wie man sich darüber aufregt, Geld an Griechenland zu "verlieren". Als hätte unser Staat keine Verschuldung, als könnten wir nicht auch früher oder später in eine Krise rutschen und auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Als würde unser Staat alles andere Geld sinnvoll und effizient einsetzen. Als wäre das Geld andernfalls gegen unsere Neuverschuldung genutzt worden, oder sonstwie sinnvoll eingesetzt worden.
Und es macht mir Angst. Es macht mir Angst, wenn ich an einem Stand der AfD vorbei gehe und angequatscht werde, wenn ich einen Punkt kritisch anmerke und dann von einem anderen Passant (offensichtlich Sympathisant) wüst angeflaumt werde im Sinne von: Ja, da könnte ich ja auch aus diesem Land verschwinden. Und ich mich erst drei Mal umschauen muss, um sicher zu sein, nicht doch am NPD Stand vorbei gekommen zu sein. Natürlich hat sich da keiner von den AfDlern gerührt.

Und: Nichtwählen sollte jeder, der das möchte. Aber dann sollte man darüber nachdenken, ob man nicht so konsequent ist, einfach ungültig zu wählen. Vergessen kann jedem passieren, ganz ehrlich, ich habs auch fast vertüddelt, weil ich einfach zuviel um die Ohren hatte und einfach nur... k.a. ich habs echt fast vergessen, aber noch schnell geschafft (und das, obwohl mir das Wählen doch immer wichtig ist).
Denn wer nicht wählen geht, wählt trotzdem. Seine Stimme wird dennoch gezählt und zwar schlechtenfalls bei einer Partei, die er gar nicht unterstützen mag. Gut zusammengefasst wurde es hier: Klick
"Egal, was auch passiert, niemand kann dir die Tänze nehmen, die du schon getanzt hast." (Gabriel García Márquez)

Dehmyen
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Beitragvon Dehmyen » Di 27. Mai 2014, 15:57

[quote='Aerius','index.php?page=Thread&postID=32222#post32222']Ah, Politikverdrossenheit ist das wohl, was du beschreibst und empfindest.

Ich geh' mal auf ein paar Sachen separat ein, da du ja mehrere Gedankengänge hast.
Er: "Ja das ist genau das Problem. Die Spitzenleute sind eigentlich gut, aber was als Basis in die Partei geflutet ist ist teilweise zu blöd um die NPD auf dem Wahlzettel zu finden. Nun kommen sie logischerweise auch nicht hinterher ihr Programm anständig auszuweiten. Ist sehr schade, aber was soll man tun."
Ich habe mir das jetzt mal rausgepickt, sei mir nicht böse darüber,[/quote] doch [/ironie] [quote='Aerius','index.php?page=Thread&postID=32222#post32222']aber das transportiert etwas, dem ich sowas von absolut nicht zustimme.
Er hat zwar recht, dass die Basis der Partei in vielen Bereichen Neonazis nicht nachsteht, aber in dem Punkt zu sagen, die Spitzenleute seien besser, will ich ihm massiv widersprechen. Hier sind ein paar Zitate verschiedener Spitzenleute der AfD. Noch nicht auf den Geschmack gekommen? Ich habe noch mehr. Die sind auch von 2014.

Für mich hat eine Partei, deren Spitzenleute sich in Außen- und Sozialpolitik offen zu Bismarck bekennen, nichts im deutschen Bundestag verloren. Gar nichts.
Während ich die Ursprünge der Partei, die wirtschaftspolitische Euro-Kritik für durchaus in akzeptablem Maße diskussionswürdig halte (weil das Thema verdammt kompliziert ist und ich nichts gegen grundlegend unterschiedliche Meinungen habe, auch wenn ich ihnen nicht zustimme), sind sämtliche anderen gezeigten politischen Ideen nicht nur rechtspopulistisch, sondern deutlich weiter als das. Nicht nur an der Basis, auch an der Spitze.

Ich habe zufällig gestern "Hart aber Fair" gesehen, weil ich etwas nebenbei hören wollte. Da hat der werte Herr Lucke sich massiv verbal dagegen gewehrt, dass man in der Sendung ja "Lucke-Bashing" betreiben würde, und ihn und seine Partei als rechtskonservativ, rechtspopulistisch und allgemein rechts bezeichnen würde, bar jeder Grundlage. Weil seine Partei ja durch alle Bevölkerungsschichten ginge. Michel Friedman, jemand mit dem ich nicht unbedingt oft übereinstimme, hat ihm eine sehr kluge Antwort gegeben. Sinngemäß etwa: "Auch wenn die Partei in Wahlwerbung und öffentlichen Auftritten nicht unbedingt komplett rechtes Gedankengut kommuniziert, sendet sie Signale an bestimmte Wählergruppen [read: Rechtsextreme]. Diese werden von diesen Wählergruppen dekodiert und verstanden als das, was sie sind: Rechtspopulistisch bis Rechtsextrem. Auch wenn sie manchmal auf den ersten Blick nicht so scheinen."

Es ist also kein Wunder, wenn die AfD in Teilen dieselben Wahlplakate wie die NPD aufhängt. Nicht im Geringsten. Und das bestimmt nicht die Basis bei Bundesweiten wahlen (wie Bundestag und Europawahl).

Sieh das nicht als anfauchen oder für böse deklarieren. Die AfD schafft es ganz gut, sich hinter Dingen zu verstecken und nach außen hin als relativ sinnvoll zu wirken. Das soll nicht implizieren, dass du doof bist, weil du dich nicht informierst. [/quote]

Das passt recht gut zu meinen Worten "Schade, dass hinter Konzepten immer Menschen stehen." Ich bin nämlich ohne ein natürliches Interesse für Politik geboren und muss mir ein Urteil meist erst hart erarbeiten. Das mach ich größtenteils über
Gespräche, oder eben um "offizielle" Wahlprogramme. Ich habe News bisher absichtlich gemieden, einfach weil ich Medien wie Zeitung und Fernsehen nicht mehr vertraue. Und nun den Parteien, sowie ihrem öffentlichen Auftreten, auch nicht mehr. (Mit öffentlichen
Auftreten meine ich keine Fernsehauftritte, oder Zitate. In etwa vergleichbar mit: Ich kenn die Lieder, weiß aber nicht welche Band das ist.")
Was die Meinung meines Bekannten angeht, werde ich nicht darüber stolpern, dass er die Spitzenleute ok findet und daran festhalten, dass die AfD ja EIGENTICH super toll ist. ich versuch nur raus zu filtern, ob eine Partei für mich gestorben ist, oder nicht.
Aber vielen Dank für die vielen Zitate, so gezielt die serviert zu bekommen, ist doch angenehmer, als danach suchen zu müssen.

[quote='Aerius','index.php?page=Thread&postID=32222#post32222']Dazu unten mehr:
Und nun steh ich da. Ich hab KEINEN Plan was ich wählen hätte können, was ich wählen soll. Mir werden Parteien ans Herz gelegt, wo ich seufzend den Kopf schüttle, weil sie nicht zu mir passen, oder Ideale vertreten, die ich nicht nachvollziehen kann. Da wo mir das Wahlprogramm gefällt, kann ich die Partei dahinter nicht ernst nehmen. Und die Parteien, die ich ernst nehmen kann, sprechen in ihrem Wahlprogramm genau gegen die wenigen Standpunkte, dir mir noch geblieben sind. Ist es schlimm nicht wählen zu gehen, wenn man nicht weiß wohin mit seiner Stimme?
Ich komme mir dumm vor, so ganz ohne eindeutige Meinung, außer eben der, das mir momentan eigentlich keine Partei zusagt. Ich hab aber ehrlich gesagt auch kein Bock "das kleinste" Übel zu wählen, insofern es das überhaupt gibt. ._.
[quote='Aerius','index.php?page=Thread&postID=32222#post32222']
Das ist was ich mit Politikverdrossenheit meinte und das kann ich ziemlich gut verstehen. Mir geht es nicht ganz so, aber ähnlich. Und vielen anderen auch.
"Das kleinste Übel wählen" klingt immer doof und viele, insbesondere etablierte und große Parteien haben ein so breites Wahlprogramm, dass du fast immer irgendwo Punkte finden wirst, die dir nicht gefallen. Geht mir genauso. Oder, wie bei mir auch mit manchen Parteien: Das Personal ist größtenteils unzumutbar für dich.
Den Gedanken den du dabei haben solltest ist aber nicht "deswegen sind die alle doof", sondern eher "es gibt viele Menschen mit vielen unterschiedlichen Meinungen". Dafür haben wir ja eine Demokratie. Daraus folgt aber auch, dass man manchmal abwägen muss, wo man sich "eher" zuhause fühlt, wenn auch nicht vollkommen. Das ist aber auch sehr viel einfacher, wenn man ein grundlegendes Interesse an der Sache hat - was nicht jeder hat (und das ist auch völlig okay so). Daher kommt vielleicht das Gefühl, "die Hausaufgaben nicht richtig gemacht zu haben". Wenn du kein Interesse an vielen Themen hast, ist es schwierig, "die Hausaufgaben zu machen".
Ich kann dir da leider auch nicht viel weiter helfen. Ich kann mich gerne mal mit dir über meine Sichtweise auf die verschiedenen Parteien unterhalten und warum ich wähle, wie ich wähle. Aber ich weiß nicht, ob dir das hilft (und ich weiß auch nicht, ob wir da auf einer Linie liegen werden 8o ). Ich bin mit Interesse für Politik aufgewachsen, mir kommt eine Beschäftigung damit relativ intuitiv und einfach vor. Aber ich verstehe, dass es vielen anderen anders geht.
Nur bei dem Punkt mit dem "Stimme mit keine Programm ganz überein" würde ich versuchen, ein wenig die Perspektive zu gewinnen, dass das auch normal so ist. Das geht ja gar nicht anders. Demokratie ist immer Abwägungssache. Abwägen von Argumenten, von Sichtweisen, von Vorschlägen und Gegenvorschlägen. Was sind für dich die wichtigsten Themen, für dich persönlich? Und wo hast du da die größte Übereinstimmung? Das würde ich als erstes für meine Wahlentscheidung in Betracht ziehen.[/quote]
[/quote]
Nun, ich fürchte mein letzter Satz war uneindeutig, als ich meinte: "Da wo mir das Wahlprogramm gefällt, kann ich die Partei dahinter nicht ernst nehmen. Und die Parteien, die ich ernst nehmen kann, sprechen in ihrem Wahlprogramm genau gegen die wenigen Standpunkte, dir mir noch geblieben sind."
Das heißt ich habe klare Standpunkte zu gewissen Themen. Es sind nicht viele, doch genau danach suche ich mir meine Partei aus, gucke mir die genauer an, um sicher zu gehen, dass die zwar gegen eine Frauenquote sind, wie ich, aber dann im gleichen Atemzug sagen, öffentliches Handheld zocken ist verboten. (banales Beispiel.)
Insofern stimmt es nicht, dass ich mich an kleinen Sachen aufhalte, wo ich sage: "Also das gefällt mir jetzt aber nicht ganz so perfekt."
Mir ist bewusst, dass mir keine Partei zu 100% gefallen kann, aber ich bilde mir ein für meine Stimme verlangen zu dürfen, dass sie wenigstens die vier Standpunkte, die ich vertreten möchte, weitesgehend genauso sehen. Weil es sind eben echt nicht Viele.
Wir können gern mal darüber reden, in einer Konfi, oder so. Würde mich interessieren, wie dein Standpunkt ist. Ob wir dann auf einer Linie sind, oder nicht, ist im Endeffekt ja egal. Aber vielleicht hilfts mir das Ganze ein bisschen besser zu verstehen. Oder ich bin am Ende komplett
verwirrt und versteck mich weinend im Hundekorb. :D
Es gibt Parteien, die mir rein offiziell von den Thesen und Standpunkten her zusagen. Aber denen stehe ich rein vom Kopf/Bauchgefühl so skeptisch gegenüber, dass ich ihnen nicht traue. Oder diese eben nicht ernst nehme.
Zuletzt geändert von Dehmyen am Di 27. Mai 2014, 16:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Kalten » Di 27. Mai 2014, 16:41

[quote='Aerius','index.php?page=Thread&postID=32222#post32222']Ich habe mir das jetzt mal rausgepickt, sei mir nicht böse darüber, aber das transportiert etwas, dem ich sowas von absolut nicht zustimme.
Er hat zwar recht, dass die Basis der Partei in vielen Bereichen Neonazis nicht nachsteht, aber in dem Punkt zu sagen, die Spitzenleute seien besser, will ich ihm massiv widersprechen. Hier sind ein paar Zitate verschiedener Spitzenleute der AfD. Noch nicht auf den Geschmack gekommen? Ich habe noch mehr. Die sind auch von 2014.
[/quote]

Bravo, endlich mal jemand, der auch mal Fakten, in diesem Fall nämlich Zitate auf den Tisch legt! Ich bin in vielen Dingen und Kritikpunkten sicherlich nicht deiner Meinung, aber nur mittels Zahlen (wie von mir weiter oben präsentiert) oder Zitaten (wie von dir hier präsentiert) und anderen Quellen lässt sich doch eine vernünftige Diskussion überhaupt erst führen. Natürlich kann man zum Ausdruck bringen, dass man irgendwie das Gefühl hat, eine Partei sei links oder rechts. Das kann ohne Quellen die das warum erklären aber schnell nach hinten losgehen und ist eben nichts weiter als eben ein persönliches Bauchgefühl.

Ich frage mich nun allerdings immer mehr, wie die AfD es geschafft hat, 180.000 SPD-Wähler, 110.000 Linkspartei-Wähler und 30.000 Grünen-Wähler auf ihre Seite zu ziehen? Irgendwelche Ideen?
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Beitragvon Aerius » Di 27. Mai 2014, 16:51

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Anders gesagt: Es gibt Menschen, die nach Bauchgefühl wählen. Die AfD plakatiert einfache Wahrheiten auf komplizierte Themen (therefor: Populismus) und hat eine unglaubliche Medienaufmerksamkeit bekommen.
Nicht jeder setzt sich vor der Wahl mit Wahlprogrammen und ähnlichem auseinander.
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Beitragvon Golgo » Di 27. Mai 2014, 18:08

[quote='Kalten','index.php?page=Thread&postID=32227#post32227']
Ich frage mich nun allerdings immer mehr, wie die AfD es geschafft hat, 180.000 SPD-Wähler, 110.000 Linkspartei-Wähler und 30.000 Grünen-Wähler auf ihre Seite zu ziehen? [/quote]

Man könnte diese Frage auch umformulieren:

[quote='Fear']Was zur heiligen Scheiße denken sich manche Leute, von denen geglaubt wird, dass sie das nötige Gehirn haben, um wählen zu gehen? 7 fucking Prozent?[/quote]

;)
Kann es sein, dass Weibsvolk anwesend ist?

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Beitragvon Aerius » Di 27. Mai 2014, 18:11

Heh, ouch.
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Beitragvon Kalten » Di 27. Mai 2014, 21:57

[quote='Golgo','index.php?page=Thread&postID=32245#post32245'][quote='Kalten','index.php?page=Thread&postID=32227#post32227']
Ich frage mich nun allerdings immer mehr, wie die AfD es geschafft hat, 180.000 SPD-Wähler, 110.000 Linkspartei-Wähler und 30.000 Grünen-Wähler auf ihre Seite zu ziehen?[/quote]Man könnte diese Frage auch umformulieren:
[quote='Fear']Was zur heiligen Scheiße denken sich manche Leute, von denen geglaubt wird, dass sie das nötige Gehirn haben, um wählen zu gehen? 7 fucking Prozent?[/quote][/quote]Touché! :D


Ok... das habe ich mich ganz ehrlich auch vorher schon zumindest bei den Wählern der Linkspartei gefragt. Von daher wundert es mich nicht, dass die halt mal so und mal so wählen.

Wie ich dazu komme? Erkläre ich gerne. Aerius hat vorhin auf für mich sehr nachvollziehbare Weise dargelegt, warum die AfD seiner Meinung nach nichts, aber auch gar nichts in einem deutschen Bundestag verloren hat (siehe das von ihm gepostete Zitat von Herrn Gauland über "Bismarck, Eisen und Blut"). Hier nun ein paar Zitate von Frau Wagenknecht, die seit 2009 für die Linkspartei im Bundestag sitzt. Und sie ist auch nicht einfach irgendwer sondern eine von zwei ersten Stellvertreterinnen des Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linkspartei.

"Die DDR war das friedfertigste und menschenfreundlichste Gemeinwesen, das sich die Deutschen im Gesamt ihrer bisherigen Geschichte geschaffen haben." - 1994, Archiv Demokratischer Sozialismus (ADS), spiegel.de

"Ich finde den Begriff Diktatur so nicht anwendbar, weil der für mich mit dem deutschen Faschismus festgelegt ist. Und ich finde, dass man das nicht gleichsetzen kann. Das sind völlig andere Dimensionen der Einschränkung." - über die DDR, »Fakt ist ...«, MDR 7. April 008

"Sie war jedenfalls nicht undemokratischer." - auf die Frage, ob die DDR demokratischer als die Bundesrepublik gewesen sei, Interview, 17. Juni 2001, welt.de

Hier finden sich übrigens noch ein paar weitere höchst bedenkliche Zitate von Frau Wagenknecht: [Sarah Wagenknecht Zitate bei Spiegel.de



Mir ist bald die Kinnlade herunter gefallen. Dank an Gajia und Aerius, die mich durch ihre Hinweise dazu gebracht haben, mich eingehender mit verschiedenen Personen hinter den Parteien zu beschäftigen.

Ich möchte hier gerne in Teilen Aerius' Worte verwenden, denn sie bringen es wunderbar auf den Punkt. Für mich hat eine Partei, deren Spitzenleute sich in dieser Weise zur DDR äußern, nichts im deutschen Bundestag verloren. Gar nichts.


Wie wäre es... wir stellen eine Liste mit Parteien auf, die im Bundestag nichts zu suchen haben :thumbsup:

1. NPD / REP / PRO NRW
2. AfD

2. Linkspartei


Und bevor sich ein aufmerksamer Beobachter beschwert, dass bisher bei NPD / REP / PRO NRW keine Quellen mit Gründen warum diese nicht in den Bundestag gehören finden... ich hoffe, da sind wir uns alle und zu 100% einig, das diese Parteien sicherlich in kein Parlament gehören.^^^^^^
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Beitragvon Aerius » Di 27. Mai 2014, 22:05

Ich finde nicht, dass man Linkspartei und AfD gleichsetzen kann. Und das sage ich als jemand, der die Linkspartei, aus unter anderem, genau dem Grund, den du genannt hast, nicht wählt. Ich mag Frau Wagenknecht auch in etwa gar nicht. Ich finde die Zitate / Grundeinstellung der Basis / Politik der Linkspartei aber deutlich Bundestagstauglicher, als die der AfD (oder gar der NPD).
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