Gerlinde sucht den Märchenmeister

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Johina
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Beitragvon Johina » Mi 10. Jun 2015, 13:28

Das Mädchen in der Bettelgasse

Es war einmal ein Mädchen. Einst hatte es in Thalheim in einem großen Haus gelebt, hatte alles, was ihr Herz begehrte und sogar noch viel mehr. Schöne Kleider, ein warmes Bett, gutes Essen, Diener, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablasen, Schmuck, teure Spielsache und ein riesiges Zimmer. Ihr Vater war ein reicher Kaufmann, der sich von einem armen Bettler hochgearbeitet hatte. Dieser gab seiner Tochter alles, was sie wollte, weil er sie so sehr liebte und weil er selbst die Armut erfahren hatte. Auch die Spielkameraden bezahlte er, damit das Mädchen Freunde hatte. Schließlich musste er Schulden machen, um die immer größer werdenden Wünsche seiner Tochter zu erfüllen. Doch nichts genügte ihr, sie wurde selbstsüchtig und gierig, wollte immer mehr und mehr. Und er gab ihr immer mehr und mehr.

Da wurde ihr Vater krank und starb. So musste das Mädchen aus dem großen Haus ausziehen, alles abgeben, was sie hatte, die Dienerschaft verließ sie, weil diese kein Geld mehr bekamen und auch ihre Freunde gingen, denn sie waren ja gar keine wirklichen Freunde, nur bezahlte Angestellte. Und plötzlich war sie allein in der Welt des Wyrm, hatte nur ihr Kleid am Leib. Bloß eine dünne Decke durfte sie mitnehmen, denn es war bereits Winter. Und es wurde Nacht und es war kalt draußen und düstere Gestalten zogen durch diese Nacht und das Mädchen hatte Angst, verkroch sich in ihre Decke gehüllt in die hinterste Ecke der Bettelgasse, in der auch einst ihr Vater saß.

Auf einmal kroch ein alter Mann zu ihr, dieser hatte keine Zähne mehr, ihm fehlte ein Bein und sein Gesicht war voller Falten. Außerdem hatte er nur ein kurzes Hemd an, ihm muss furchtbar kalt gewesen sein. „Diesem geht es auf jeden Fall schlechter als mir“, dachte sich das Mädchen. Und der alte Mann fragte, ob er ihre Decke haben könne, ihm sei so kalt. Dafür würde er ihr ein Stückchen Brot geben. Und da sie furchtbaren Hunger hatte und ja noch ein Kleid am Leib, was der alte Mann nicht hatte, gab sie ihm die Decke und nahm das Brot. Der alte Mann wickelte sich in die Decke und schlief ein. Und das Mädchen hatte ein merkwürdiges Gefühl im Bauch, doch das kam nicht von der Kälte.
Sie hatte gerade begonnen, an dem Stück Brot zu kauen, da kam ein kleiner Junge auf sie zu und dieser war ganz dünn und klapperig und sein Bauchknurren war schon von weitem zu hören. Und dieser Junge bekam ganz große Augen, als er das Brot sah, sagte aber nichts. Er stand einfach so da und man sah den Hunger, den er hatte. Da dachte sich das Mädchen: „Diesem geht es auf jedem Fall schlechter als mir.“ Und sie schenkte dem Jungen das Brot, der es auch gleich nahm und hinein biss.
Doch sollte es nicht umsonst sein, denn als Tausch gab der Junge ihr einen Stein. Das Mädchen sah auf den Stein hinab und fragte sich, was es damit denn anfangen solle. Es ging etwas weiter, die Bettelgasse hinunter und fand eine Frau, die ganz verzweifelt schien, denn sie suchte auf dem Boden herum. Neben der Frau war ein kleiner Holzhaufen geschichtet. Doch die Frau war blind, konnte nicht mehr sehen und musste mit den Händen tasten. Die Frau rief: „Mir ist so kalt, so kalt, ich habe Holz, aber keinen Feuerstein. Ach, hätte ich doch nur einen Feuerstein!“ Da dachte sich das Mädchen: „Dieser geht es auf jeden Fall schlechter als mir!“ Und das Mädchen sah auf ihre Hand hinab und sah, dass der Stein ein Feuerstein war. Und sie gab den Feuerstein der Frau, die gleich darauf mit diesem ein Feuer entfachte. Doch auch das sollte nicht umsonst sein, denn die Frau lud das Mädchen ein, an ihrem Feuer zu sitzen. Und so wurde dem Mädchen warm, dort am Feuer und es hatte Gesellschaft und ein merkwürdiges Gefühl im Bauch.
Da kam eine Frau, die hatte nur noch ein ganz dünnes Hemd an und musste ganz bitterlich frieren. Und sie sagte, sie muss dringend zu ihrer Mutter, die krank sei und könne nicht an dem Feuer sitzen, um sich zu wärmen. Da dachte sich das Mädchen, das ja ein Kleid anhatte: „Dieser geht es auf jeden Fall schlechter als mir!“ und schenkte der Frau ihr Kleid. Jetzt hatte das Mädchen nur noch ein Hemd an, aber sie saß ja am Feuer und hatte Gesellschaft. Doch auch das sollte nicht umsonst sein, denn die Frau gab dem Mädchen für das Kleid einen Kamm und bedankte sich und dieses ‚Danke‘ war von Herzen und wieder hatte das Mädchen ein merkwürdiges Gefühl im Bauch.

Aber irgendwann ging das Feuer aus und die blinde Frau war eingeschlafen und jetzt hatte das Mädchen nichts mehr, nur noch ein Hemd am Leib und einen Kamm. Es könnte sich zwar die Haare kämmen und sähe schön aus, doch das würde sie nicht wärmen und auch nicht ihren Magen füllen. Und das Mädchen weinte bitterlich, was sie denn jetzt nur tun solle. Ihm fror, es hatte Hunger und keine Freunde. Und es fühlte sich sehr einsam und verlassen auf der Welt.
Doch der Mond Lurani und die Sterne am Himmel hatten gesehen, wie gut das Mädchen geworden war, wie selbstlos es den anderen ihre Decke, das Brot, den Stein und ihr Kleid gegeben hatte. Und sie hatten auch das merkwürdige Gefühl im Bauch des Mädchens wahrgenommen, was Freude über die Freude anderer war. Und der Mond und die Sterne sorgten dafür, dass der Kamm sich in Edelsteine verwandelte und das Mädchen konnte mit diesem wertvollen Schatz ein Haus und Essen kaufen. Und sie baute das Haus in der Bettelgasse und gab das Essen den Bewohnern der Gasse und hat sich fortan um die Armen gekümmert, dass diese immer etwas zu Essen und ein warmes Dach über dem Kopf haben sollten. Und nie wieder wollte sie reich sein, sie gab alles, was sie hatte den Armen und dafür war ihr Haus immer voll, sie hatte viele Freunde und niemals mehr war sie einsam.
Zuletzt geändert von Johina am Mi 10. Jun 2015, 13:30, insgesamt 1-mal geändert.

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Anáa
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'Warum Wolkenberge an manchen Tagen tiefer am Himmel hängen'

Beitragvon Anáa » Mi 10. Jun 2015, 18:59

Ein weiser Großvater, der seine Lebensjahre nicht mehr zu zählen vermag, erzählt seinem jüngsten Enkelsohn am allabendlichen Feuer die Geschichte 'Warum Wolkenberge an manchen Tagen tiefer am Himmel hängen'.

"Es war einmal ein kleiner Junge, gar nicht viel älter als du. Seinen Namen willst du wissen? Er hieß Miron. Miron war allseits bekannt und beliebt in seiner Heimatstadt Romar. Er war stets wissbegierig aber auch frech und brachte die Leute häufig zum lachen. Doch wo immer er sich aufhielt, stellte er Fragen über Fragen. Er wollte das Wyrm begreifen - und das Leben, doch nur ganz selten genügten ihm die Antworten, die die Leute ihm gaben. Oft bekam er auf das letzte "Warum" nur noch einen gut gemeinten Klapps an den schmutzigen Hinterkopf und wurde kopfschüttelnd fortgejagt.

Seine geliebte Großmutter jedoch, ihr Name war Raneira, ja sie war eine herzensgute, geduldige und weise alte Frau . Stets nahm sie sich alle Zeit der Welt, um dem klugen, kleinen Miron seine Fragen zu beantworten und ihm die Dinge zu erklären. Er liebte sie und sie ihn. Stunden verbrachten sie gemeinsam in ihrer Küche, redeten bei dampfendem Tee und selbstgebackenen, himmlischen Keksen über alles, was es zu reden und zu wissen gab.

Eines Tages schaute Miron verträumt zum Himmel hinauf. Große, weiße Wolkenberge hingen tief über ihm. Und eine weitere der vielen Fragen suchte den Weg in sein gewitztes Köpfchen. Doch niemand den er traf, konnte ihm dieses Frage beantworten und so wollte Miron von seiner Großmutter wissen, warum an manchen Tagen die Wolken am Firmament tiefer hängen als an anderen. Mit gestrafften Schultern und in freudiger Erwartung auf heißen Tee mit Keksen und einer guten Antwort auf diese Frage, betrat er pfeifend das Haus seiner lieben Großmutter. Doch ... sie war nicht da. Statt der alten Raneira saßen zwei Herren in dunklen Gewändern am alten Tisch in der Küche und überbrachten ihm die furchtbarste aller Nachrichten.
Seine geliebte Großmutter war eingeschlafen! Tot! Für immer fort!

Miron konnte und wollte es nicht glauben. Er hatte sich nicht verabschieden können! Ja, mit ihrem letzten Fortgehen hatte sie ihm alle Möglichkeiten verwehrt, die er hätte haben sollen! Ihr beizustehen oder ihr in den letzten Stunden Erleichterung zu verschaffen. Sich bei ihr für all' die Liebe und all' die gemeinsamen Stunden am Küchentisch zu bedanken! Und die Möglichkeit der alten, wunderbaren Frau noch ein letztes Mal sagen zu können, wie sehr er sie mit seinem ganzen großen Kinderherz liebte!

Unbändige Tränen rannen seine kleinen Wangen hinab und er stürzte aus dem Haus, in dem er so viele, wundersame Geschichten von ihr vernommen hatte. Oh wie wütend war er, dass seine Großmutter ihn einfach verlassen hatte! Ihn allein mit seinen Fragen zurück lies und ihm niemals wieder eine Antwort würde geben können.

So rannte und rannte er, bitterlich weinend und ohne Ziel durch Romar. Bis er schließlich, vollkommen kraft- und mutlos, am Zelt der verrufenen Zigeunerin stehen blieb und einen verschwommenen Blick hinein warf. Hier war er noch nie - doch man munkelte im Dorf, dass das Weib die Leute mit den Toten reden lassen könnte.

In seiner Verzweiflung betrat er also zögerlich und von Trauer erfüllt das dunkle und süßlich verrauchte Zelt. Im Inneren saß eine Dame, wie man sie sich vorstellen würde. Lange, dunkle Haare mit einem Tuch gebunden, an dem es vor Gold und Glitzer nur so klimperte und klingelte. Ihre dunklen, mysteriösen Augen, die stechend und warmherzig zugleich sein konnten, beobachteten ihn. Vor dem Weib, auf einem kleinen Tisch aus Ebenholz, stand eine silbernfunkelnde Schale - bis zum Rand gefüllt mit ruhigem Wasser. Sie nickte und deutete ihm näher zu kommen und sich zu setzen. Miron kniff die tränenerfüllten Augen argwöhnisch zusammen, kam ihrer Aufforderung jedoch nach und setzte sich ihr gegenüber auf den alten, hölzernen Stuhl.

Lange blickten sich die beiden schweigend an. Kein Wort kam über beider Lippen und Miron wollte schon enttäuscht das Zelt verlassen - als die Zigeunerin plötzlich wissend nickte, einen schweren, kleinen Schlegel aus Metall gegen die silberne Wasserschale schlug und das Wasser sich zu kräuseln begann. "Sieh hinein!".. sagte sie nur und Miron tat, wie ihm geheißen. Durch die kleinen, seichten Wellen auf der Oberfläche des nun unruhigen Wassers, konnte Miron so gar nichts erkennen und er lies die kleinen Schultern sacken. Doch.. plötzlich formte sich aus einfachem Wasser ein ..Himmel! Ein blauer, strahlender Himmel, an dem zwitschernde Vögel vorüber zogen und die Sonne ihre leuchtenden Strahlen in das blaue Firmament warfen. Miron's lebhafte Kinderaugen wurden noch größer, denn das Bild schien sich zu verändern. Etwas zog an dem wunderschönen Himmel auf und suchte sich seinen Platz. Tief hängende, dicke weiße Wolkenberge! Sie türmten sich im Wasserhimmel auf und strahlten majestätisch im Glanz der Sonne. Fasziniert traute er seinen Augen nicht und blickte ungläubig von der Schale zur Zigeunerin und wieder zurück.

"Dies, kleiner Miron.. ", erklärte die Zigeunerin mit ruhigen Worten und in tröstendem Ton, "..dies ist ihre gütige doch letzte Antwort, auf deine Frage: Wann immer ein geliebter Mensch geht, hängen große, weiße Wolken tief am strahlenden Firmament. Denn wie sonst könnte die alte Raneira auf all deinen zukünftigen Wegen über dich wachen?" Und die Zigeunerin lächelte ebenso so gütig und mit Liebe in den Augen, wie seine Großmutter es tat, während sie ihm am Küchentisch bei Tee und Keksen die Welt erklärt hatte."




Das abendliche Feuer knistert und knackt, als der weise Großvater seine Geschichte beendet hat - seinen Enkelsohn aus müden, alten Augen mit Stolz, Gewissheit und Liebe, wie es wohl nur ein Großvater zu fühlen vermag, anblickt und ein allerletztes Mal voller Genuss an seiner Pfeife zieht.
"So manch' Einblick hinter die Maske hat schon die wunderbarste Fantasie zerstört."

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Alyah
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Beitragvon Alyah » Do 11. Jun 2015, 23:22

Die Goldlilie

Es war eine dunkle und kalte Nacht tief im Winter, als sich die kleine Brenna entschied, etwas früher zur Welt zu kommen. Draußen fegte eisiger Wind und der Schnee hatte Felder und Wiesen unter einer dicken Schneedecke begraben, kein Geräusch drang aus dem Wald, es war alles still. Tara, die Mutter und Tarek, der Vater, waren dennoch überglücklich. Bettelarm und doch gesegnet mit Glück, weil das Kind endlich in ihren Armen lag. Die Eltern hatten nichts, außer ihre unbeschreibliche Liebe für ihre neugeborene Tochter. Fürsorglich wollten sie alle Zeit sein und ihr ein glückliches und schönes Leben bieten, auch, wenn sie nicht wussten, wie sie das überhaupt bewerkstelligen sollten. Tarek war ein einfacher Mann, der täglich versuchte, seine kleine Familie mit seiner Jagd und täglichen, kleineren Handwerksarbeiten zu ernähren und doch so voller Liebe für seine Tochter.

Eines Tages, Tarek war gerade zur Jagd aufgebrochen und Brenna schlief noch seelig, klopfte es an der Tür. Ein eher seltenes Vorkommen bei der kleinen und bescheidenen Holzhütte am Waldrand nahe der Elfenstadt Glorfindals. Da ihnen jedoch bisher nie etwas Schlimmes widerfahren war, öffnete Tara die Türe und sah...niemanden. Nichts.Die junge Frau schaute sich um, konnte aber Niemanden entdecken und wollte die Türe gerade wieder schließen, als ihr Blick auf den Boden davor fiel. Dort stand...ganz allein und einfach so...ein Gewächs in einem einfach Blumentopf. Anbei lag ein kleiner Brief. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie verwundert Tara war, denn wer stellte schon zu solch einer kalten Jahreszeit einfach Blumen vor anderer Leute Tür? Sie nahm sich natürlich ihrer an, stellte sie drinnen auf den kleinen Holztisch und legte den Brief dazu. Die Pflanze wirkte eher unscheinbar, 2 längere grüne Blätter, sonst nichts. Tara machte sich ein wenig Sorgen, dass das Blümchen durch die Kälte schon einen Schaden erlitten hatte aber das würde sich dann ja wohl zeigen. Ihr Augenmerk fiel auf den Brief, vielleicht würde der ja Aufschluss geben. Doch ihre Gedanken blieben bei Brennas Vater hängen. Obwohl Tarek ein sehr erfahrener Jäger war, machte sie sich doch immer ein wenig Sorgen um ihn. Was sollte sie denn tun, wenn ihm etwas passierte? Und wie hätte sie dem Maedchen das spaeter erklären sollen? Zum Trost nahm sie Brenna auf den Arm und das kleine Maedchen laechelte ihre junge Mutter einfach an. Dann schlief der Saeugling ein und die Mutter legte ihn in das Bettchen. Die Interesse an dem Brief erwachte wieder und sie beschloss, ihn jetzt einfach zu öffnen. Er war nicht besonders lang aber dennoch mit viel Liebe verfasst. Folgendes stand dort zu lesen:

"Wer am Wenigsten hat, gibt am Meisten. Das soll belohnt werden. Nur unter Eurer Aufsicht bleibt die Blumenpracht um den Glorfindaler Wasserfall erhalten. Nun bedanken sich die Blumen bei Euch. Einmal im Jahr, bei guter Pflege, wird dieses Liliengewächs Euch Reichtum bringen. Bewacht es gut, beschützt es. Tut weiter Gutes und auch Euch soll Gutes widerfahren."

Gez.: die Blumenfee

Tara blickte von dem Brief auf, besah sich nochmals das Pflänzchen. Erlaubte sich da jemand einen Scherz mit ihnen? Diese Pflanze sollte Reichtum bringen? Was für ein Reichtum sollte das sein? Um ehrlich zu sein, bei der Erwähnung des Glorfindaler Wasserfalls musste Tara lächeln. Nur durch Zufall hatte sie diesen Garten Eden entdeckt und sich sofort in ihn verliebt. Eine kleine Oase, derer sie sich ganz selbstverständlich anzunehmen gedachte. Sie wollte nicht in den Lauf der Natur eingreifen, jedoch hinterließ so manch Besuch ab und an ein wenig Unrat. Nun wurde ihnen ungewollt dafür gedankt? Von wem? Eine wahre Überraschung.

So gingen die Monate ins Land. Tara kümmerte sich um das Kind und den Haushalt, während Tarek jeden Tag versuchte, sie mit Wild und ein wenig Barem über Wasser zu halten. Und das Pflänzchen? Die Blätter wuchsen, wurden groß, dunkelgrün und kräftig, sie entwickelte sich. Und quasi über Nacht entwickelte sie eine wunderschöne duftende, prächtige, weiße Blüte. Doch das Erstaunlichste an ihr war das glühende Funkeln, welches aus der Blüte zu kommen schien. Tara war vollkommen entzückt, obwohl sie nicht verstand, woher es kam, bis sie noch näher heranging. Da konnte sie zumindest ein Geräusch vernehmen...ein Klimpern, ein Klingeln, wie kleine Glöckchen. Die junge Mutter kniff die Augen zusammen, vielleicht konnte sie ja so mehr erkennen. Und tatsächlich, vor ihren Augen rieselten doch wirklich kleine Körnchen auf den Tisch, die glitzerten und funkelten und die die klimpernden Geräusche verursachten. Als sie sich vorsichtig eines griff und genau betrachtete, da raubte ihr die Erkenntnis darüber, was sie da nun genau in Haenden hielt, schier den Atem. Was sich ihr da bot...war Gold. Pures, echtes Gold. Aber...Gold, das aus einer Pflanze fiel? Wie konnte das sein? Doch da fielen ihr die Worte aus dem Brief wieder ein. Das sollte also der versprochene Reichtum sein?! Sie konnte sich gegen die Freudentränen einfach nicht erwehren. Niemals zuvor war ihnen so viel Großzügigkeit zu Teil geworden. Tara hoffte damals, dass das die Chance bot, Brenna einst ein gutes Leben ermöglichen zu können, fernab von totaler Armut, das war Tarek und ihr immer wichtig. Dem Vater berichtete sie nach seiner Heimkehr spät abends von dem Geschehen und obwohl er müde und erschöpft war, konnte er seine Freude nicht zurückhalten. Sie aßen zusammen, brachten das Kind gemeinsam zu Bett und gingen anschließend selbst...zum ersten Mal seid langem...glücklich und hoffnungsvoll zu Bett.

Was man nun wohl aus dieser Erzählung lernen kann? Ein Jeder sollte stets einfach und bescheiden bleiben, anderen aber in der Not helfen und wann immer es sich bietet, Gutes tun. Denn dann wird auch einem selbst eines Tages das Glück hold sein, sowie es das der kleinen Familie mitten im Winter war. Und es gibt sie, die guten Geister.
Zuletzt geändert von Alyah am Do 11. Jun 2015, 23:32, insgesamt 5-mal geändert.
"Das Leben ist wie eine Bleistiftzeichnung, nur ohne Radiergummi" (Radio)
Es ist nicht wenig Zeit,
die wir zur Verfügung haben,
sondern es ist viel Zeit,
die wir nicht nützen.

Seneca

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Die Liebe ist nett und freundlich, doch ist sie des Verstandes Freund nicht. (Filmzitat)
"Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume"


Zitat: Rajah: *Alyah knutsch* bist n Engel

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Suriel
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Beitragvon Suriel » Fr 12. Jun 2015, 09:58

Die Hexe und der Fluch

Einst lebte tief in den Wäldern des Wyrmlandes eine alte Hexe die so hässlich war, dass selbst der abscheulichste Bergtroll bei Ihrem Anblick das Gesicht verzog. Ich Gesicht war vernarbt und trug dicke Warzen, sie lief gebückt und hatte einen Buckel, auf dem locker zehn Jägerhüttenmäuse platz fanden.

Eines Tages nun verirrten sich zwei Burschen im Wald und fanden unfreiwillig Einkehr im Haus der Hexe, die nicht im Traume daran dachte, die Burschen wieder gehen zu lassen. Gesellschaft sollten Sie für die Alte sein und die schweren Arbeiten die anfielen, sollten Sie verrichten. Viele Tage und Nächte vergingen und die Sehnsucht nach Freiheit wurde bei den zwei Burschen immer stärker und Sie wurden immer missmutiger, bis Sie der alten Hexe wahrlich keine guten Gesellschafter mehr waren. Als die zwei Burschen nur noch mürrisch drein blickten, rief die Hexe die Beiden zu sich und sprach: „ Nun denn, gehet hinaus in die Welt, findet meine Halskette, die sich in einem Zelt irgendwo in einem Dorf befindet und bringt mir Diese. Sie gehörte einst mir und ward mir von einem bösen Magier gestohlen, Derjenige der Sie mir übergibt, möge für alle Zeit frei sein“. Die zwei Burschen horchten auf und waren schon im Begriff Ihre Reisebeutel zu packen als die Hexe warnte: „Bedenket aber bei Eurer Suche, finden kann nur ein reines Herz diese Kette und Jener welcher nicht reinen Herzens ist, wird auf ewig in diesem Haus gefangen bleiben“.

Als die Burschen nun aufbrachen um die Kette zu finden, da hatte der Eine die warnenden Worte der Hexe bereits vergessen und auch die Freundschaft zwischen den Burschen verlor langsam an Kraft, jetzt wo Sie Konkurrenten waren. Viele Tage wanderten die Zwei durchs Land und kamen in der Nähe Ilshaldrens an einem heruntergekommenen Zelt vorbei. Der Besitzer stand auf einem Feld daneben und suchte nach Erträgen, doch das Feld war knochentrocken und bot ein wahrlich klägliches Bild. Als die Burschen näher kamen, erklärte Ihnen der Mann, dass der Fluch eines bösen Magiers auf Ihm läge und das Er nur wieder Erträge ernten würde, wenn Er ein silbernes Glöckchen aus des Magiers Zelt bekäme, doch Er wäre zu schwach um danach zu suchen. Die zwei Burschen versprachen dem Mann, sich nach dem Glöckchen umzuschauen und es Ihm mitzubringen, doch als Sie nun weiterreisten, hatte der Eine dieses Versprechen bereits vergessen.

Schon bald hielten Sie Einzug in Ilshaldren und fanden, nach einigem suchen und fragen, das Zelt des bösen Magiers in dem sich die Halskette und das silberne Glöckchen befinden sollten. Der Magier schaute die Zwei mit hochgezogener Augenbraue an und grinste bösartig. „ Soso Ihr wollt also etwas aus meinem Zelt? Dann beantwortet mir mein Rätsel und ich gewähre Euch Einlass“, sprach er und die Burschen willigten ein, was hatten Sie auch für eine Wahl? Der böse Magier lachte auf und sprach: „Etwas das alles und jeden verzehrt, Helm und Panzer, Axt und Schwert, Tier, Vogel, Blume, Ast und Laub, aus hartem Stein mahlt es Staub, stürzt Könige, verheert die Stadt, macht Grades krumm, walzt Berge platt, was ist das?“. Die Burschen schauten sich an und überlegten fieberhaft, welches die wohl richtige Lösung des Rätsels war. Es dauerte zwei Tage und zwei Nächte, bis die Beiden die Lösung kannten und Sie dem Magier mitteilten. „ Es ist die Zeit, nur die Zeit hat eine solche Kraft“, beantworteten Sie das Rätsel und der Magier gewährte Ihnen Einlass in sein Zelt, doch legte Er fest, dass jeder von Ihnen nur ein Teil aus dem Zelt mitnehmen durfte. Sofort machten sich die Burschen auf die Suche und fanden eine wahrlich prunkvolle Kette, welche nur die Gesuchte sein konnte. Der eine Bursche zögerte, dachte an den armen Mann und wählte das silberne Glöckchen, welches in einem kleinen Regal lag. Der Andere jedoch hatte sein Versprechen ja bereits vergessen, nahm die Kette an sich und machte sich triumphierend auf den Rückweg. Als er am Zelt des Mannes vorbei kam rief er Diesem zu, dass der Magier kein silbernes Glöckchen hatte und kümmerte sich nicht weiter um das Leid des Anderen. Der zweite Bursche jedoch, überreichte das silberne Glöckchen und als der Mann das Glöckchen läutete, sprießten sofort die schönsten Ähren auf den Feldern rund um das Zelt. Zum Dank nahm der Mann einen Lederriemen, an welchem eine Perle hin, von seinem Hals und reichte Sie dem Burschen: „Es ist nicht viel was ich zum Danke geben kann, aber möge Euch die Perle Glück bringen“, sprach Er und auch dieser Bursche, machte sich nun auf den Rückweg.

Als die Burschen wieder nach vielen Tagen der Wanderschaft am Haus der Hexe ankamen, wartete Diese bereits vor dem Haus. Guter Dinge endlich frei zu sein, überreichte der eine Bursche seine mitgebrachte Kette und verschwendete keinen Gedanken an seinen einstiegen Freund. Die Hexe nahm die Kette, betrachtete Sie und schüttelte dann den Kopf: „ Nein, dies hier ist nicht meine Kette, sie leuchtet nicht“. Der Bursche erstarrte. Es war doch die einzige Kette die er finden konnte. Die Hexe wand sich an den Anderen und deutete auf den Lederriemen um seinen Hals: „Eine schöne Perle hast Du da, lass mich Diese anschauen“, und der Bursche nahm den Riemen vom Hals, reichte Ihn der Hexe und als Sie die Perle berührte, leuchtete Diese in den wunderprächtigsten Farben. „Ja dies hier, dies ist meine Kette. Du hast Sie mir zurück gebracht“. Und als Sie sich den Lederriemen um den Hals legte, verwandelte sich die alte Hexe in eine wunderschöne, junge Frau. Sie erklärte dem Burschen, dass der Magier diesen Fluch auf Sie gelegt hatte, weil Sie nicht seine Gemahlin werden wollte und nur die Kette konnte diesen Fluch brechen. Glücklich und zufrieden verließen der Bursche und die Schöne den Wald, der Andere jedoch, veränderte sich, bekam einen Buckel so groß, dass mindestens zehn Jägerhüttenmäuse darauf platz fanden und ward von dann nicht mehr gesehen. Tief im Wald des Wyrmlandes jedoch, wohnte seit dem Tag ein alter Hexer der so hässlich war, dass selbst der abscheulichste Bergtroll bei Seinem Anblick das Gesicht verzog…
• Fleißkärtchen gibts am Arschlochschalter •
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jujue
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Der König der Schnatterspatzen

Beitragvon jujue » Di 16. Jun 2015, 18:35

Eine Mär aus Romar
Vor langer Zeit, als die Drachen noch unbeschwert über die Wipfel der uralten Wälder flogen und Romar nicht nur ein Bollwerk, sondern die schönste Blüte der Menschen war, begab es sich, dass die Herrschaft einer Frau begann, die einen magischen Stein auf sich trug. Der Zauber, dieses Steines, machte sie so wunderschön und immerwährend jung, dass sie glaubte, die Sonne platze jeweils vor Neid, wenn diese, frühmorgens, mit ihrem Gespann über das Gebirge fuhr.
Die Bewohner von Romar aber, mussten sich hinter Masken verbergen, denn es reizte den cholerischen Humor der Königin, in andere Gesichter, als in das ihre zu schauen und sie sprach darob mit einem geschundenen Stimmchen:
„Es ist von mir nicht zu erwarten, dass ich in das Antlitz derer blicke, die in die Besenkammer, den Schweinekoben und auf den Esel gehören und mir womöglich noch den Appetit verderben.“
Und wer es auch wagte, der Königin den Appetit zu verderben, der wurde von ihren Schergen in den Turm der Türme, in den tiefsten Tiefen des Wyrmwaldes geworfen, wo er sein Lebtag bei Wasser und Brot verbringen musste, bis er die Segel strich und in den immergrünen Hafen einfuhr.
Eines Tages, als die Schöne gerade lustwandelte in den Gärten und sich labte am Duft der Rosen, schien ihr die Sonne besonders abgünstig, denn sie schoss ihre glühenden Pfeile mit aller Macht von ihrem Streitwagen herab, so dass die Königin sich an einer seichten und schattigen Stelle des Flusses niederliess, um ihre Wangen zu kühlen. Kaum beugte sie sich über das Wasser, erblickte sie das Gesicht eines Mannes, welches dem ihren nicht nur ebenbürtig war, nein, es an edlen Zügen sogar übertrumpfte und wie die Königin auch um sich blickte, es war keine Menschenseele da, an der sich ihre Augen hätten festzwirnen können.
Vor Zorn schwoll sie an wie eine Kröte und schlug auf das Bildnis ein, aber wie sich das Wasser wieder beruhigte, so lachte ihr das Gesicht wieder entgegen und wie sie auch tobte und ihre königlichen Manieren vergass, die Spiegelung wollte nicht weichen. Endlich, als sie von der Hitze und der Aufregung erschöpft war, bemerkte sie einen Schnatterspatz über sich, auf einem Ast sitzen. Er fing an in einem Stakkato zu zwitschern und schnattern, so dass es wirkte, als würde ihm das hellgraue Federbäuchlein vor Lachen bersten. Wutentbrannt über dieses Erlebnis, erliess die jähzornige Königin noch viel grausamere Gesetze, so dass die Stadt, mit all ihren Untertanen, vom Schatten in die Finsternis gestürzt wurde. Jedes Tier, bis hin zu den Grenzsteinen der Lande wurde vertrieben oder zu Ramius geschickt und der ächzte unter der Last wimmernder Seelen. Keine Ameise und kein Vogel wurde verschont, kein Fisch blieb in den Gewässern übrig. Die grosse Drachenjagd der Menschen fand ihren Anfang, bis die Vielzahl der majestätischen Geschöpfe am Horizont schwanden und selbst die Blumen wurden, sobald ihre Köpfchen nach dem Leben schauten, enthauptet. Der Schnatterspatz aber, jener der es wagte, die Königin auszulachen, sollte lebendig eingefangen und vorgeführt werden.
Hinter den regungslosen Masken des Volkes wurde gemunkelt, dass sich die Käfige im Thronsaal bis unter die Decke stapelten und die Königin vollends einem fiebrigen Wahn erlegen sei, dem sich aber niemand zu wehren versuchte. So lange hatten die Romarer schon unter der Täuschung zu leiden, dass sie es hinnahmen wie der Gang zum Plumpsklo und niemand fragte, warum die Schöne mit jedem einzelnen Schnatterspatz zum Fluss schritt um sein Spiegelbild im Wasser zu betrachten. In keinem erblickte sie mehr das Gesicht, welches ihr an jenem heissen Tag entgegenschaute und darüber spross der Zweifel und das Misstrauen wie Unkraut auf dem dürren Acker ihrer Seele, so dass sie gänzlich vergass, sich selber zu bewundern und gar drohte zu verwelken.
Kein Zauber und kein Mittelchen schien mehr zu helfen und wie die Tage vergingen beschloss die Königin, sich selber auf die Suche zu begeben und sie liess ihr Jagdgefolge und eine Sänfte rufen. Fünftausend Goldstücke sollte schlussendlich jener erhalten, der den einen Schnatterspatz aufstöberte und schon bald entdeckten sie das Federtierchen, welches den Jägern partout nicht auf die Leimrute ging, denn, es war das letzte, das übrig war.
Von den obersten Zinnen des Turmes aller Türme zirpte es: "Oh Königin, bist du hier um der Natur die Schuld zu tilgen?"
Sie aber sprach: "Schnatterspatz, Schnatterspatz, du beleidigst mich und gleichsam ist mein Leben jämmerlich, seh ich dein nobles Antlitz nicht!"
Als das Tierchen abermals höhnte: "Oh Königin, du hast dir das Unglück selbst zuzuschreiben" hatte einer der Jäger bereits die Finger an der Sehne seines Bogens und bevor die Königin antworten konnte, purzelte der Spatz vom Turm und blieb Schachmatt auf dem Boden liegen.
Da fühlte die Königin, wie ihr das Herz in Stücke gesäbelt wurde und es kam ihr zu Bewusstsein, welch fataler Irrtum ihr unterlaufen war, welcher Illusion sie erlegen, so dass ihre Pläne auf Grund gelaufen und sie die Reise zu Ramius für bares Gold gekauft hatte. Kein Laut drang mehr durch den Wald, kein Tier raschelte im Dickicht, keine Blume verströmte ihren Duft und in wessen Angesicht die Königin auch blickte, es war kalt und starr und keines zeigte sein warmes Inneres, denn sie waren ja verborgen hinter Masken. Da weinte die Königin bitterlich und reute: "Wo die Blüte aller Schönheit doch um mich war, erschuf ich dennoch ein trostlose Wüste! Wo ich in warmherzige Augen blickte, liess ich die Sterne erblinden und wo ich das lachen hörte, legte ich das Vergnügen in Bitterkresse ein!"
Während sie gar jammerte und maunzte und ihr die Tränen über das Gesicht schossen, wässerte sie das Wunder der Barmherzigkeit, denn der Schnatterspatz schlug seine Äuglein auf. Und siehe da, er lag nicht länger in der Gestalt eines geflügelten Tieres, sondern schloss sie als jener in die Arme, der ihr das Fieber verschaffte und ihrer Seele ein Heilmittel verschrieb.
Alsbald erwachte Romar aus seinem finsteren Schlaf und hunderte befreite Schnatterspatzen brausten in Schwärmen, wie Sturmwinde, über das Land und hiessen alle die Wahrheit nach oben treiben zu lassen, wie die Fettaugen des Specks in einer dicken Gemüsesuppe. Eine solche gab es als Vorspeise zum Festmahl, als die Schöne und der Spatz aus der Kapelle schritten und während der grossen Feier gar nicht mehr aufhören konnten, zu schnäbeln, zu zwitschern und zu gurren.
Die Königin und ihr Gemahl regierten noch viele Jahre und spielten ihre Rolle gut, denn die Stadt wuchs und gedeihte und nur die Masken, die am ein und anderen Ort in einer Stube hingen, erinnerten die Romarer noch ein Weile, wie ein schreckliches Märchen, an die finstere Zeit.
"Im übrigen, pass auf dich auf und zähme deine Neugier, ich habe dich gewarnt, solltest du im tiefen Forst über die Ruine des Turmes aller Türme stolpern. Der Stein ewiger Jugend und Schönheit soll tief unter seinen Gemäuern ruhen und der kann dir, wie du siehst, ordentlich das Leben versalzen."

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Tirsis
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Beitragvon Tirsis » Mi 17. Jun 2015, 20:49

Von dem Mädchen und den Tieren

Es war einmal ein kleines Mädchen, das war so arm, dass es immer in Lumpen gehen musste. Seine Eltern waren früh gestorben und so war es ganz allein auf der Welt. So streifte das Mädchen einsam durch die Wyrmlande, ganz auf sich gestellt und ohne zu wissen, was es am nächsten Tag essen sollte. Als nun der Winter kam, setzte sich das Mädchen in einer Stadt nieder, um zu betteln, denn sein Magen knurrte gar fürchterlich und es hatte schon lange nichts mehr gegessen. Doch die Menschen gingen vorbei und das Mädchen blieb hungrig.

Als sein Hunger immer schlimmer wurde, beschloss das Mädchen, im Wald nach Essen zu suchen, denn es hatte gehört, dass die Tiere dort ihr Futter versteckten. Barfuß lief es durch den Schnee, zitternd vor Kälte und schwach vor Hunger. Stunde um Stunde durchstreifte es erfolglos den Wald und es wollte schon verzweifeln, als es plötzlich ein Eichhörnchen sah. Eifrig grub das Tier im Schnee und holte eine Nuss aus seinem Versteck. Kaum war das Eichhörnchen davon gesprungen, da schlich sich das Mädchen zum Versteck. Darin lagen nur noch drei Nüsse und das Mädchen streckte die Hand aus, um sie an sich zu nehmen. „Bitte nimm mir nicht meine Nüsse.“ sagte da plötzlich ein leises Stimmchen aus dem Gebüsch neben ihr. Das Mädchen sah auf und entdeckt das Eichhörnchen, das zwischen den Blättern hervor blinzelte. „Ohne meine Nüsse habe ich gar nichts mehr zu essen. Dann muss ich verhungern.“ sprach das Eichhörnchen weiter. Da zog das Mädchen seine Hand zurück, stand auf und zog mit knurrendem Magen weiter durch den Wald.

Es irrte umher, bis es schließlich eine Maus entdeckte, die soeben mit einem Getreidekorn im Mäulchen aus einem Loch huschte und dann sogleich im nächsten verschwand. „Vielleicht finde ich hier etwas zu essen.“ dachte das Mädchen. Es kniete nieder und grub an der Stelle, an der die Maus aus der Erde kam. Mühevoll entfernte sie die gefrorene Erde - und tatsächlich: Die Maus hatte einige Körner gesammelt und für den Winter aufgehoben. Das Mädchen streckte die Hand aus, um sie an sich zu nehmen. „Bitte nimm mir nicht mein Getreide.“ sagte da plötzlich ein leises Stimmchen hinter ihr. Das Mädchen sah auf und entdeckte die Maus, die hinter ihr aus einem Loch lugte. „Ohne mein Getreide haben meine Kinder nichts zu essen. Dann müssen wir alle verhungern.“ sprach die Maus weiter. Da zog das Mädchen seine Hand zurück, stand auf und zog mit knurrendem Magen weiter durch den Wald.

Beinahe hatte es schon die Hoffnung aufgegeben, als es eine Kohlmeise sah, die aus einem Astloch eine Beere holte und davonflog. Voll neuer Hoffnung klettere das Mädchen den Baum empor und spähte in das Astloch. Im Inneren befanden sich einige wenige Beeren, die schon recht vertrocknet waren. Aber dem Mädchen war es gleich, denn es war hungrig. Es streckte die Hand aus, um die Beeren aus dem Astloch zu nehmen. „Bitte nimm mir nicht meine Beeren.“ sagte da plötzlich ein leises Stimmchen aus dem Geäst über ihr. Das Mädchen sah auf und entdeckte die Kohlmeise, die dort auf einem Ast saß. „Die Beeren sind alles, was ich habe. Ohne sie muss ich verhungern.“ sprach die Kohlmeise weiter. Da zog das Mädchen seine Hand zurück, stand auf und zog mit knurrendem Magen weiter durch den Wald.

Traurig und erschöpft gelangte es zu einer Lichtung. Völlig entkräftet setzte sich das Mädchen am Rande der Lichtung unter einen großen Baum und begann zu weinen, fürchtete es doch, jetzt verhungern zu müssen. Da raschelte es mit einem Mal rings um das Mädchen herum. Ängstlich sprang es auf, im Glauben, das nun die Raubtiere gekommen seien, um es zu fressen. Doch nein, es waren keine Raubtiere. Es trippelte und trappelte, hoppelte und flatterte. Und es kamen Eichhörnchen, Maus und Kohlmeise. Doch dabei blieb es nicht. „Wir haben alle unsere Freunde mitgebracht.“ sprach das Eichhörnchen. Tatsächlich strömten nun mehr und mehr Tiere auf die Lichtung. Igel, Hasen, Maulwürfe, Krähen und Spechte, und noch viele, viele mehr. „Du hast uns unserere Vorräte nicht genommen, obwohl du doch so Hunger leiden musst. Dafür sollst du belohnt werden.“ fiepte die Maus und legte eines ihrer Körner vor dem Mädchen ab. Ihr folgte das Eichhörnchen, das eine Nuss dazu gab, die Kohlmeise brachte eine ihrer Beeren. Die anderen Tiere taten es ihnen gleich und brachten Nüsse, Getreide und getrocknete Beeren. Jedes Tier gab etwas und vor dem Mädchen wuchs ein Stapel aus den verschiedensten Dingen heran. Nicht nur etwas zu essen war darunter. Die Tiere brachten auch Wolle, einige Haare aus ihrem Pelz, Daunen und Moos.

Und obwohl jedes Tier nur eine einzige Sache brachte, sammelten sie genug, damit das Mädchen den ganzen Winter über zu essen hatte. Aus der Wolle spann sie neue, warme Kleidung, die sie mit dem Pelz fütterte. Aus Daunen und Moos fertigte sie sich eine Ruhestatt. Wurde es gar zu kalt, kuschelten sich einige Tiere zum Mädchen, um es zu wärmen. So kam es, dass das Mädchen im Wald blieb, auch als der Frühling kam, und lebte zusammen mit den Tieren, die von nun an für das Mädchen sorgen. Nie wieder musste es Hunger leiden, nie mehr frieren, und es konnte sich keinen schöneren Ort zum Leben vorstellen.
Zuletzt geändert von Tirsis am Mi 17. Jun 2015, 20:52, insgesamt 2-mal geändert.


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