Der Psychopath
Der Mann saß starr vor der Kamera. Sein dunkles, mattschwarzes Haar lag genau so, wie er es wollte. Er hatte sich deswegen sogar einige Haarbüschel ausgerissen – jetzt saß es endlich richtig! Sein Schnurrbart, der an einen Ziegenbart erinnerte, bewegte sich zittrig, als er zu sprechen begann: "Ich bin 35 Jahre alt und ledig. Ich suche dich...", er legte eine kurze Pause ein. "Du musst kurvenreich sein, ich bevorzuge bei einer Frau die Kleidergröße 40-44. Außerdem halte ich nichts von Emanzipation...", der Mann verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Abgesehen von dieser Grimasse sah er recht ansehnlich aus, vorausgesetzt man stand auf den hageren, bärtigen Typ. "Mein Haushalt liegt ganz in deiner Verantwortung. Gehorsamkeit setze ich bei einer Frau voraus und sofern du dazu bereit bist, werden wir gut miteinander auskommen." Er schloss kurz die stahlgrauen Augen und dachte an seinen Extraraum. Es ist sein Raum für Ungehorsamkeiten. Wie sie dort schon geschrieen haben, um Gnade gefleht haben. Aber sie waren selbst schuld – kein Erbarmen! "Melde dich...", mit diesen Worten schloss er die Annonce per Video ab. Er hob sich aus dem bequemen Sessel und schaltete die Billigkamera aus. Das wäre also erledigt. Jetzt brauchte er nur noch die Aufnahme an die Vermittlung in Russland schicken. Es wurde höchste Zeit. Sein Haus glich mittlerweile einem Schweinestall und ihm fehlte die weibliche Demut. Er brauchte das Gefühl der Allmacht. Der Mann blickte auf seinen Daumen der linken Hand. Dieser stand schief ab, war nicht mehr voll funktionsfähig. Er war nachlässig gewesen, hatte die kleine Hexe mit dem roten Haar nicht ordentlich befestigt. Diesen Überlebenswillen hatte er ihr gar nicht zugetraut. Er knirschte mit den Zähnen und im gleichen Moment miaute die Katze. Es war ein schwarz geflecktes Tier, ehemals niedlich anzusehen und gehörte dem Nachbarn, der zwei Häuser weiter wohnte. Der Bärtige hatte sie gestohlen. Als er sie eingefangen hatte, war sie gesund und zutraulich gewesen. Nun sah die Sache natürlich anders aus. Mit hinterhältiger Liebenswürdigkeit hatte er seinem Nachbarn angeboten, ihm beim Aufhängen der Zetteln: "Katze vermisst!", zu helfen. Was dieser aber dankend abgelehnt hatte. Das Tier miaute abermals, putzte sich das verdreckte und von Narbengewebe durchzogene Fell kraftlos. "Halts Maul oder ich verpass dir was!", drohte er dem Tier und der Drohung wären sicher auch Taten gefolgt, wäre da nicht der fröhliche Ton der Türglocke erklungen. Eine Weile starrte er die Katze gehässig an, die übrigens längst mehr tot als lebendig war und setzte sich in Bewegung, bahnte sich seinen Weg zwischen leeren Bierflaschen hindurch. Der Mann stand dann grimmig vor der Tür. Doch natürlich zwang er sich zu einem Lächeln, schließlich musste der Schein gewahrt werden! Mit einem Ruck öffnete er sie einen Spalt breit, damit man die Unordnung in seinem Haus nicht sah.
"Guten Tag!", vor ihm standen zwei uniformierte Polizisten. "Eine rothaarige Frau mit... stämmiger Figur wurde vom russischen Konsulat als vermisst gemeldet. Laut unseren Informationen hat Frau…", der ältere Polizist der beiden Uniformierten blätterte in einem Notizblock, las kurz darauf den Namen der Frau stockend ab und sprach flüssig weiter: "…eine Zeitlang hier gewohnt." Der Mann schluckte trocken und in seinem Gehirn rotierte es vor Angst. Doch da er gelernt hatte, in solchen Situationen die Fassade aufrecht zu erhalten und solchem Druck standzuhalten, bot er den Polizisten an: "Darf ich den beiden Herren vielleicht eine Tasse Kaffee anbieten?", höflich bewegte er den Kopf hin und her, damit er beide Polizisten offen ansehen konnte. Selbstverständlich wusste er, dass sie ablehnen würden. "Nein danke!", antwortete wieder der Ältere. Ansonsten sagten sie nichts, warteten seine Antwort ab. Schnell zwängte er sich durch den Türspalt hindurch, schloss die Haustür hinter sich und blinzelte aufgrund der angenehmen Morgensonne. "Ja, die Dame hat eine Weile bei mir gewohnt, doch ich entsprach nicht ihren Ansprüchen...", der bärtige Mann räusperte sich und ließ die mitleiderregenden Worte auf die Polizisten wirken. "Sie arbeitet jetzt angeblich in einem…", er druckste herum. "Sie wissen schon, in einem Club. Dort wo die Frauen auf Tischen tanzen und den Männern gegen entsprechendes Honorar… wissen sie was ich meine?" Die Polizisten sahen sich gegenseitig an, grinsten schmierig und nickten wissend. Es war doch immer das Gleiche mit den russischen Frauen. "Wenn sie etwas von der Frau hören, dann melden sie sich bei der nächsten Polizeiinspektion!" Der Mann war erleichtert, er hatte es wieder geschafft den Behörden auf der Nase herum zu tanzen. "Natürlich! Sie können sich darauf verlassen...", als die beiden Polizisten gegangen waren, verschwand auch er wieder im Inneren seines Hauses, zog die Vorhänge zur Gänze zu und genoss die Dunkelheit einen Moment. Er war erschöpft und ließ sich auf dem gleichen Sesseln nieder, auf dem er kurz zuvor gesessen war. "Verdammt, jetzt steht der nächste Umzug an!", bedauernd klangen seine halblaut gemurmelten Worte. "Es wird Zeit alle Spuren zu verwischen...", aber vorher wollte er sich noch etwas Spaß gönnen. Der Mann stand wieder auf, ging in die Küche und holte ein großes Hackbeil aus einer Schublade. Er bleckte bösartig die Zähne und rief: "Miezekatze, komm... feines Happiiiii gibt es!"