Beitragvon Khisa » Fr 2. Aug 2013, 21:14
Lagu, das hat nichts mit Sozialkritik zu tun.
Hinterfrage doch, wieso Jugendliche sich zu Banden zusammenschließen, wieso sie keine Möglichkeiten haben, sich anderweitig zu organisieren oder zu beschäftigen, wo die Gelder hin sind, die früher dafür bereitgestellt wurden?
Meine Eltern sind ja recht alte Jahrgänge, WW II haben sie miterlebt, als Kinder, und damit natürlich auch die Nazi-Indoktrination. Ich bin also als kleiner Nachwuchsnazi großgezogen geworden... ich hab alles schön nachgeplappert, ohne nachzudenken, obwohl in meiner Grundschulklasse damals tatsächlich Kinder türkischer Abstammung überwogen, aus einem einfachen Grund: die benachbarte Evangelische Grundschule wollte sie nicht. Also hat sie die Katholische Grundschule in der anderen Hälfte aufgenommen. Restlos. Ich muss sagen, nicht viel hat mir im Leben so gut getan wie das. In meiner Klasse war auch noch ein Spanier, eine Marokkanerin (deren Vater übrigens einer der feinsten, distinguiertesten, kultiviertesten und gelehrtesten Männer war, die ich je kennengelernt habe), eine Portugiesin, ein Pole, und zwei Italiener. Den tiefen Riss zwischen Lebensrealität und Elternhausgerede habe ich nicht wahrgenommen. Das kam erst später, als ich auf dem Gymnasium war. Eigentlich wollte ich ein Mädel trösten, das eine nicht so gute Note in Deutsch geschrieben hatte, weil Deutsch eben nicht ihre Muttersprache war. Das hat sie aber dann (wie ich damals nicht wusste) richtig verstanden und mir vorgehalten, wie ich nur so daherreden könnte. Ich war empört, wollte mich verteidigen, eins kam zum anderen. Dann hab ich zu meiner Verteidigung den ganzen Schwachsinn meiner Eltern nachgeschwafelt. Ich hatte es geschafft binnen eines Tages die gesamte Schule, die mich kannte, gegen mich aufzubringen. Meine Klasse, meine Lehrer und Schüler der Parallelklassen derselben Stufe.
Und dann gab es etwa eine Woche lang in keiner Klasse mehr Unterricht außer dem Auseinandernehmen meiner 'Argumente'. Am schlimmsten dürfte gewesen sein, wie meine Klassenlehrerin (US-Amerikanerin) mich angesehen hat... mit einem Blick, der von maßloser Enttäuschung sprach. Klar, das war eine äußerst schmerzhafte Radikalkur, und ich denke, die hätte auch böse nach hinten losgehen können, würde diese so also definitiv nicht empfehlen, aber mir wurden damals brutal die Augen geöffnet. Ja, ich wurde ausgegrenzt, lächerlich gemacht, geschlagen, getreten etc. von meinen Mitschülern - das kann ich nicht verteidigen, aber das war nun auch nicht wirklich was Neues, wenn es nicht meine guten Noten waren, die sie dazu veranlassten, war es mein Übergewicht oder meine Körpergröße. Oder meine Kleidung.
Es gibt Dinge, die sind Absoluta. Beispielsweise Freiheit. Es gibt nicht ein 'bißchen' Freiheit, oder Freiheit zweiter Klasse, entweder bist du frei oder nicht.
So ähnlich verhält es sich mit Rassismus.
Du magst da im Kopf eine klare Linie ziehen, bis zu der etwas Rassismus wäre, danach aber nicht mehr.
Ich weiß aus Gesprächen mit meinem Ex, der immer gegen die immigrierenden Mexikaner wettert und deren Banden, dass er am liebsten gar keine Immigranten in den USA sehen würde. Wenn ich dann dagegenhielt, ob ihm klar sei, dass ich, wenn ich es in die USA schaffte, dann auch Immigrant wäre, meinte er allen Ernstes, das sei etwas anderes. Ach ja? Wieso? Weil ich weiß bin? Europäisch? Denn genau das ist es, Immigranten werden toleriert, wenn es beispielsweise US-Amerikaner wären oder Briten oder Niederländer oder Dänen oder sonstige Skandinavier. Aber wenn es welche aus dem Osten sind oder dem Süden oder Afrika oder Asien, dann dreht sich das Blatt ganz schnell. Und das ist nichts anderes als Rassismus.
Es ist unheimlich schwierig, in Deutschland Asyl zu beantragen. Erstens darfst du nicht über ein anderes Land kommen. Zweitens wirst du untersucht und evaluiert und noch und nöcher gefragt, weswegen du verfolgt wirst etc. etc. Dann wirst du in ein Asylbewerberheim gesteckt, in dem die Zustände katastrophal sind. Zumindest waren sie es bei meinem Ex-Verlobten aus Nigeria. Ungeziefer, vier Leute in einem Zimmer so groß wie mein kleines Zimmer, Kochgelegenheit auf dem Flur für eine ganze Etage, Bad genauso. Viele verschiedene Ethnien, kleine Kinder, Säuglinge, verschiedene Religionen. Es war die Hölle, ich bin da nur sehr, sehr ungern hingegangen, aber die armen Schweine mussten da leben. Das Grundgesetz gilt für Asylbewerber nicht. Freizügigkeit? Gibt's nicht. Du musst in der Stadt/dem Kreis bleiben, in dem du wohnst. Du kannst nicht einfach umziehen. Oft bekommst du nur Gutscheine vom Amt, das heißt, du kannst nur in ganz wenigen Läden nur bestimmte Dinge kaufen, und musst sehen, dass du möglichst auf genau den Gutscheinbetrag kommst. Ich weiß ja nicht, wie du dich fühlen würdest, wenn du so als Mensch dritter Klasse behandelt würdest, aber ich wäre da sicherlich nicht froh drüber. Sowas verletzt, ungemein. Und ist auch nicht wirklich mit den Menschenrechten vereinbar.
Deutschlands Politiker sind auf dem rechten Auge andererseits ganz schön blind. Fast all meine linken Studentenfreunde können dir Geschichten von offenem Rechtsradikalismus erzählen, wo die Polizei danebenstand und NICHTS gemacht hat, da möchtest du den Glauben an die Menschheit verlieren.
Deutschlands Migrationspolitik ist in den letzten 20 Jahren ungemein restriktiv geworden, und das Klima dazu merkt man.
Und nochmals ganz persönlich zu den Leuten mit Migrationshintergrund... hätte ich damals nicht mein Kind verloren, hätte ich nun eine schwarze Tochter. Würde man die aus irgendeinem Grund nach Nigeria schicken, würde sie dort Gefahr laufen, beschnitten zu werden. Schwesterlicherseits, mein jüngster Neffe, meine jüngste Nichte, beide Roma. Stellen die was an, sollen sie "zurück" nach Serbien? Sie sprechen kaum die Sprache, sie kennen dort niemanden, sie sind hier geboren. Wo das Mädel dann zwangsverheiratet wird - ist zwar nicht erlaubt, und sie ist auch noch viel zu jung, aber wen kümmern schon die Gesetze?
Jugendliche, die grölend neben einer Brandstätte stehen hab ich auch gesehen. In Düsseldorf, wo ich vorher gewohnt hab, war das ein ganz schöner sozialer Brennpunkt. Die Jugendlichen da waren fast ausnahmslos Deutsche. Fehlende Bildung, fehlende Tagesbetreuung, hohe Arbeitslosigkeit, geringe Perspektiven, schlechte Lebensumstände (Armut, Alkoholismus der Eltern, Mißbrauch, Kriminalität, viele Alleinerziehende, etc. etc.). Sicherlich ist ein Migrationshintergrund in der Lebensrealität der Jugendlichen in Garbsen ein Faktor. Für noch mehr Ausgrenzung, noch weniger Perspektiven, Zerrissenheit zwischen den Kulturen und was das alles noch mitbringt.
Wenn dich das Thema interessiert - ich hab noch einen ganzen Stapel Broschüren von meinem früheren Job beim Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit Düsseldorf da. Auch für Multiplikatoren. Schau sie dir an, such dir raus, was du haben magst. Hab da auch einiges zu Gender Mainstreaming etc. - nur so am Rande.
Hmm, mag Ori den Post evtl. in den andren Thread schubsen?
Mein Kotzgrund: dieser Imbiß... ich hab noch deutlich geschrieben OHNE Remoulade und OHNE grünen Salat (vertrag ich nicht)... *grusel*
Nicht reden können saugt sowas von... ist auch lustig, wenn dann alle anfangen mich zu behandeln, als sei ich blöde. <.< - die reden mit mir, als wäre ich geistig behindert. ._.
"Life is pain! I wake up every morning, I’m in pain! I go to work in pain! You know how many times I wanted to just give up? How many times I thought about ending it?"
~•~
Gregory House